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Was man von einem Vulkan alles lernen kann

Die Natur macht es einem vor – man muss nur hinschauen.

 

Am Anfang einer Reise fällt es mir immer schwer anzukommen und mich darauf einzulassen. Das stimmt schon was man sagt: Die Seele reist viel langsamer als der Körper.

Auch wenn ich jetzt schon über 48 Stunden hier in Costa Rica bin, habe ich das Gefühl ein Teil von mir ist noch nicht da, oder zumindest noch unterwegs. Eigentlich ein sehr verunsicherndes Gefühl. Aber da ich nun wirklich schon viele Reisen hinter mir habe, kann ich aus Erfahrung sagen: Das ist normal. Und ich plane das mittlerweile auch mit ein. Die ersten Tage hier verbringe ich alleine mit mir. Keine Freunde treffen, so wenig Kontakt mit Menschen wie möglich und einfach mal Zeit für mich, um anzukommen. Aber leicht ist es trotzdem nicht. Die ersten Zeit ist immer davon geprägt, dass ich mich frage: War das jetzt die richtige Entscheidung? Und gleichzeitig weiß ich, dass es nur ein paar Tage dauern wird, bis ich wieder in dem Gefühl bin, dass ich so sehr liebe und das mich immer wieder hier her zurück kommen lässt. Dieses unglaubliche Freiheitsgefühl, gepaart mit Abenteuerlust und Neugier auf das, was kommt.

 

Nach zwei verregneten Tagen in der Hauptstadt San José spüre ich aber ganz deutlich den Drang in die Natur zu gehen. Da  ich aber am Tag drauf hier noch einen Workshop gebe, muss ich erstmal in der Stadt bleiben. Also dann eine Tagestour. Ich war schon so oft hier, aber noch nie an einem der Vulkane. Schon der Taxifahrer, der mich vor drei Tagen vom Flughafen hier her gebracht hat, hat die ganze Zeit von Volcano Poas geschwärmt. Also schaue ich mir das mal an. Natürlich gibt es die Möglichkeit mit Uber und Bus irgendwie selbst dahin zu kommen, aber ich entscheide mich diesmal für die zwar teurere aber bequemere Variante und buche mir einfach eine Tour.

Also geht es am nächsten Morgen los. Der Tourbus mit Guide Marcella wartet um acht Uhr morgens am Gran Hotel de Costa Rica, direkt gegenüber dem schönen Nationaltheater.

Da ich den Jetlag noch lange nicht überwunden habe, bin ich sowieso um 4:30 wach und habe also genug Zeit für eine ausgiebige Runde morgendliches Yoga, und dann einen leckeren Starbucks Hafercappuccino to go, um die zwei Kilometer zum Gran Hotel zu laufen.

Es regnet immer noch. Und es ist grau, nass und sogar richtig kühl.

 

Als ich am Gran Hotel ankomme, fängt es an wie aus Eimern zu gießen. Mehr Wasser könnte gar nicht vom Himmel kommen. Die Reisegruppe könnte mal wieder nicht bunter sein. Neben unserer Guide Marcella, die Costa Ricanerin ist, ist noch ein Päärchen aus Equador, ein Herr aus Japan, ein Australier, ein Junger Typ aus Malasia, eine Dame aus Kanada und ein New Yorker dabei. Und ich natürlich.

Die Fahrt zum Vulkan zieht sich und vor Regen und Nebel sieht man kaum die Straße.

Schon auf der Hinfahrt frage ich mich, ob das wirklich der richtige Tag für diese Tour war. Der Krater des Poas soll beeindruckend sein. Aber bei diesem Regen und Nebel, werde ich doch nichts sehen?

Und dafür um ein paar Wolken zu sehen, ist die Tour dann doch ganz schön teuer. Aber nun sind wir schon auf halber Strecke und es gibt sowieso kein zurück mehr.

Endlich sind wir da. Erstmal dürfen wir uns noch 20 Minuten im Café aufhalten und darauf warten, dass eine andere Gruppe zurück kommt. Dann bekommen wir Helme und schauen uns das Sicherheitsvideo an, wie wir im Falle einer Eruption evakuiert werden. Hmmm...

Dann beginnen wir den Aufstieg zum Vulkan. Mit jedem Schritt weiter wird es nebliger und regnerischer. Ich spüre in mir ein Gefühl der Enttäuschung hochkommen. Die Bilder im Café sahen großartig aus. Aber die Entfernung von der Aussichtsplattform bis zum Krater ist mehrere Hundert Meter.

Die Plattform ist so gelegt, dass man von unten nicht erkennen, kann wie die Sicht oben sein wird. Oben ist gerade noch eine andere Reisegruppe und ich lese schon an ihren Gesichtern, dass das mit der Sicht heute nichts ist.

Endlich kommen wir oben an. Da stehen wir nun am Geländer und schauen hinunter. Da wo sich der eindrucksvolle Krater mit türkisfarbener Lagune befinden soll, sehen wir einfach nur ein dichtes Nebelfeld. Der Nebel ist so dicht, dass man keine zwei Meter über das Geländer sieht. Marcalla, unser Guide verkündet: „Wir bleiben 20 Minuten hier.“  Was sollen wir denn hier solange machen? Man sieht doch gar nichts. Ich laufe einmal die ganze Plattform ab und entdecke zumindest ein paar interessante Steine am Wegrand. Ich bin enttäuscht. Ich hatte mich so auf einen spektatkulären Ausblick gefreut und gehe auch immer davon aus, dass das Glück auf meiner Seite sein MUSS.

Aber heute nicht.

Da kommt plötzlich ein Windstoß und legt den Vulkankrater frei. Ich erhasche einen Blick auf den Krater, aus dem weißer Dampf aufsteigt. Wie auf einem anderen Planeten sieht das aus. Das Wasser im Krater ist aufgrund der fehlenden Sonneneinstrahlung nicht türkis sondern eisgrau. Ein mystischer Anblick.

Ich kann gerade noch mein Handy herausholen und ein Bild davon machen, da zieht der Krater auch schon wieder zu. Den Rest der zwanzig Minuten hier oben bleibt uns der Blick komplett verwehrt. Fast so als wollte der Vulkan sagen: „Ich entscheide, wer mich zu Gesicht bekommt, und nicht ihr.“

Ich ärgere mich ein bisschen über mich selbst, denn über das Wetter kann man sich einfach nicht aufregen. Schon gar nicht in der Regenzeit in einem tropischen Land.

Die nächste Reisegruppe steht schon parat und so ist es an der Zeit, dass wir den Weg zurück zum Bus antreten. Ich versuche mich mit den eindrucksvollen Bäumen am Wegesrand zu trösten. Aber so richtig funktioniert das auch nicht.

Während wir den Weg hinunterlaufen denke ich darüber nach, wie groß mein Bedürfnis die letzten Tage war mich zu verkriechen und einfach mal nicht so viele Leute zu sehen. Irgendwie hat es mich auch viel Überzeugungskraft gekostet, dennoch heute in einen Tourbus mit anderen Menschen zu steigen. Aber erstaunlicherweise ist keiner von ihnen wirlich in Redelaune. Sie genießen einfach im Stillen, was es sehr angenehm macht.

Da kommt mir plötzlich der Gedanke, dass der Vulkan vielleicht heute einfach auch in der Stimmung war, den Vorhang mal zuzuziehen. Er hat sich für nicht mal eine Minute gezeigt und sich dann wieder in sein Wolkenbett zurückgezogen. Und vielleicht dürfen wir das auch von der Natur lernen. Es ist okay, mal einfach für eine Weile die Decke über den Kopf zu ziehen. Man kann nicht immer nur im vollen Rampenlicht stehen und im Sonnenlicht strahlen.

Zumal so ein Vulkan ja auch etwas sehr mystisches hat, als hätte er seine ganz eigene Energie.

Ich beschließe stattdessen, es dem Vulkan gleichzutun und einfach weiter auf meine Bedürfnisse zu hören und mich mal eine Weile zurück zu ziehen. Bis mein Retreat hier startet habe ich noch eine ganze Woche. Ich freue mich plötzlich riesig darauf, die Zeit mal ganz für mich zu haben. Vielleicht sogar das Handy mal auzumachen oder zumindest wesentlich weniger zu benutzen.

Plötzlich bin ich dem Vulkan sehr dankbar dafür, dass er heute nicht mit Höchstleistung performt hat. Denn darin lag eine viel tiefere Botschaft für mich

 

Und prompt ändert sich auch meine Laune und meine Energie.

 

 

 

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